Alle von euch, die mehr über Schrift
im Mittelalter wissen wollen, möchte ich einen kurzen Blick auf die
vorherrschende Buchschrift dieser Zeit werfen lassen: die karolingische
Minuskel. Wie der Name bereits vermuten lässt, entstand sie zur Zeit und unter
Einfluss Karls des Großen (ca. 747 – 814 n. Chr.) und prägte über 400 Jahre
lang die Schriftkultur Europas.
Zu ihrer Entstehung gibt es die
unterschiedlichsten Vermutungen über Ort und Zeit, da leider kein Schriftstück
erhalten ist, das diese Faktoren eindeutig bestimmen würde. Tatsache ist jedoch,
dass die karolingische Minuskel im Zuge von Karls Bildungsreform auftauchte.
Da Karl der erste durch einen Papst
gekrönte Kaiser war, beabsichtigte er durch die Reform nicht nur die Verwaltung
seines riesigen Frankenreiches zu verbessern, sondern vor allem die
Christianisierung voranzutreiben. Er wollte, dass möglichst viele Menschen die
Bibel lesen und auch verstehen konnten. Denn nach Karls Ansicht war es
unmöglich, ein gottgefälliges, auf die Erlösung ausgerichtetes Leben zu führen,
wenn fehlerhaftes Wissen zwischen dem Menschen und Gott stand. Weisheit war für
ihn ein Wegweiser zum ewigen Leben.
Abb. aus: Funke, Fritz: Buchkunde. Die historische Entwicklung des Buches von der Keilschrift bis zur Gegenwart. München 2006, S. 31 |
Deswegen mussten die vielen
regionalen Dialekte und unterschiedlichsten Schriftbilder durch eine gemeinsame
Gelehrtensprache – das Lateinische – sowie eine einheitliche Schrift ersetzt
werden. Karl bemühte sich aber nicht nur um das Lateinische, er versuchte auch,
die Volkssprache in geregeltere Bahnen zu lenken. Unter ihm wurden erstmals
deutsche Heldenlieder schriftlich festgehalten, er gab den Monaten und Winden
deutsche Namen und wagte überdies den Versuch einer fränkischen Grammatik.
Bildung war in Karls Verständnis
nicht nur zum reinen Erlangen von Wissen da, sondern sollte ein tieferes
Verständnis der christlichen Lehre vermitteln sowie den Geistlichen eine
angemessene Durchführung der Gottesdienste ermöglichen.
Um dieses Wissen also möglichst weit
zu verbreiten, war die Schrift ein wichtiges Instrument, da mit ihr Lehrbücher
erstellt und vervielfältigt wurden. Einfach sollte sie sein, klar und leicht
lesbar, um nicht vom Inhalt und der Idee dahinter abzulenken. Außerdem: je
lesbarer und deutlicher die Schrift, desto einfacher und fehlerloser war sie
abzuschreiben – selbst von ungeübten Schreibern.
Die Schrift, die all das möglich
machen sollte, wurde die karolingische Minuskel, auch „Carolina“ genannt. Um
das Jahr 800 herum taucht das erste heute noch existierende Schriftstück in
karolingischer Minuskel auf. Sie verbreitete sich innerhalb Karls gewaltigem
Reich von Frankreich aus über Deutschland, die Schweiz und Oberitalien bis weit
nach Skandinavien, Spanien, England und schließlich auch Süditalien aus. Aber
ob sie nun von Karl selbst stammte, aus einem der Klöster – die im Mittelalter fast
als Einzige Lese- und/oder Schreibkundige ausbildeten – oder in Karls Hofschule
erfunden wurde, wird wohl für immer im Dunkel der Geschichte verborgen bleiben.
Wichtig ist jedoch, dass wir der
karolingischen Minuskel eine ganze Menge verdanken: mit ihr wurden erstmals
Wörter durch Lücken voneinander getrennt, das Schriftbild wurde dank dickeren
Grundstrichen und dünneren Haarstrichen viel lesbarer, die Anzahl ineinander übergehender
Buchstaben nahm ab, im 12. Jahrhundert wurde das w erfunden und das
Fragezeichen eingeführt.
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Quellen:
Becher, Matthias: Karl der Große. München 1999.
Förster,
Hans / Frenz, Thomas: Abriss der lateinischen Paläographie. Stuttgart 2004.
Funke,
Fritz: Buchkunde. Die historische Entwicklung des Buches von der Keilschrift
bis zur Gegenwart. München 2006.
Restituere, renovare, reformare – Die
karolingischen Reformen – Ein Überblick. URL: http://www.tu-dresden.de/sulcifra/frankreich/ma/spgesch/karolref.htm [21.1.2004 /
27.3.2008 14:38, jetzt inaktiv].
Von den Steinen, Wolfram: Der Neubeginn. In: Bischoff,
Bernhard / Braunfels, Wolfgang (Hrsg.): Karl der Große. Lebenswerk und
Nachleben. Das geistige Leben. Bd. 2. Düsseldorf 1965.
Dieser Post beruht auf meiner Hausarbeit für das Fach Buchwissenschaft im Wintersemester 2007/2008 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen.
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